Martha van Straaten legt Techno auf für draußen, mit Lampignon im Baum und Schminke im Gesicht. Ich habe mit ihr über Hippies, Feminismus und kulturelle Aneignung geredet.
Ihre DJ-Sets sind die in Musik gegossene entspannte Party im Freien, Lampions in den Bäumen und Seifenblasen in der Luft: Hannah Straten alias Martha van Straaten legt Downtempo-Techno auf – langsamen, luftigen Techno, mit Musik und Samples aus aller Welt, mit Sounds und Rhythmen aus Südamerika oder Afrika. Unter Corona-Bedingungen kann das gerade meist nicht seine ganze Magie entfalten, aber ein wenig spüren kann man es vielleicht trotzdem: Heute Abend streamt der Münchner Harry Klein Club ein Set von Martha van Straaten. Sie legt im Rahmen des queer-feministischen “weINSPIREus” Festivals auf, organisiert anlässlich des Weltfrauentags am 8. März vom Münchner WUT Kollektiv. Außerdem legen die WUT-DJs Nadja und Laetizia auf, am Sonntag gibt es Networking Veranstaltungen und am Montag eine Livesendung mit Gesprächen über feministische Clubkultur – neben anderen auch mit Martha van Straaten – mit Live Musik von Kim_Twiddle und Kurzfilm. Hardy Funk hat mit Martha van Straaten über die positiven Aspekte des Lockdowns, über das Erbe der Hippies, das Verhältnis von Techno und Natur und die Schwierigkeiten von Frauen und Queers in der eigentlich so egalitären Techno-Kultur gesprochen.
Hardy Funk: Martha, du bist eigentlich in der halben Welt unterwegs und legst auf, spielst Musik aus aller Welt, hast Freunde weltweit. Die Corona-Pandemie hat dein Leben sicher komplett verändert. Aber wie man auf Instagram verfolgen kann, konnte und kannst du der Zeit auch Positives abgewinnen. Welche schönen Seiten oder auch Erkenntnisse hat die Pandemie für dich?
Martha van Straaten: Auf jeden Fall war es für mich total schön, eine gezwungene Pause einzulegen und – im Vergleich zu den fünf Jahren davor – einfach mal viel an einem Ort zu sein. Ich liebe gerade das Reisen am Auflegen eigentlich so – deswegen bin ich auch gar nicht so gut darin, mal Nein zu sagen. Deshalb war es schön für mich, Zeit zu haben für Projekte, für die ich sonst nicht die Energie habe, wenn ich jedes Wochenende unterwegs bin und dann die Woche auch so ein bisschen mein Wochenende ist. Ich habe zum Beispiel angefangen, schweißen zu lernen, das war so mein Highlight, mit dem habe ich die Pandemie ganz gut überbrücken können.
Gerade gibt es eine Debatte um sogenannte “Plague Raves”. DJs wie Dirty Doering oder Ricardo Villalobos stehen in der Kritik, weil sie in Sansibar oder in Südafrika auflegen, wo das zwar offiziell erlaubt ist – aber die Pandemie natürlich trotzdem grassiert. Sie legen da, das zeigen Videos und Bilder, auch von einer komplett weißen Crowd auf. Wie siehst du das, kannst du die Kritik teilen?
Was heißt teilen … Ich kann sie nachvollziehen. Ich bin nicht die Erste, die mit dem Finger zeigt, weil ich natürlich selber in der Situation stecke, dass das nun mal mein Haupteinkommen war in den letzten Jahren. Ich kann nachvollziehen, dass man da so in die Bredouille kommt, das anzunehmen. So war es bei mir tatsächlich auch: Dass eine Anfrage reinkam für etwas, das auch weiter weg war und eben auch erlaubt gewesen wäre, aber es hat sich nicht so richtig gut angefühlt. Ich bin auch nicht die Erste, die das kategorisch ablehnt. Ich kam auch ins Überlegen und finde, es ist eine sehr schwierige Frage. Als das jetzt nicht geklappt hat, hat es mir auch nicht so doll wehgetan, weil es mir diese schwierige Entscheidung abgenommen hat. Aber ich merke auch: Es ist mein Job und ist verdientes Geld, ich möchte den gerne machen können. Aber irgendwie fühlt es sich nicht so richtig an gerade.
Du hast es eben schon erwähnt: Du magst das Reisen mit am meisten an deinem Job. Du reist normalerweise sehr viel, triffst Musiker und Künstlerinnen aus aller Welt – wie, würdest du sagen, hat das Reisen dich verändert?
Was für mich am Reisen so toll ist, ist wirklich zu merken, wie klein die Welt ist. Wie man selbst mit Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen, die eine andere Sprache sprechen, mit denen man vielleicht noch nicht mal wirklich verbal kommunizieren kann, trotzdem so eine Verbundenheit spürt. Das ist auch das, was ich mit der Musik versuche: Diese Vielfalt irgendwie in zwei Stunden zu komprimieren. Diese Vielfalt, die gleichzeitig verbindend sein kann. Das gibt mir ein total schönes Gefühl, auf diesem Planeten zu sein und bringt vielleicht noch mal mehr Empathie oder einfach Nähe zu Menschen, die auf den ersten Blick ganz anders aussehen.
Hat das Reisen auch deinen Blick auf Deutschland oder Europa verändert?
Auf Deutschland auf jeden Fall. Aber das ist ambivalent: Das ist auch schön am Reisen, dass ich viele Sachen an Deutschland auch wertzuschätzen gelernt habe. Man stellt aber natürlich auch fest, dass wir nicht sonderlich gastfreundlich sind hier. Dass selbst in Ländern, wo die Leute sehr, sehr wenig haben, die Leute sehr viel herzlicher und offen sind. Gleichzeitig gibt es aber eben auch schöne Sachen hier an Deutschland.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel die Ernsthaftigkeit, also diese Ehrlichkeit. Wenn jemand fragt, “Wie geht’s?”, dann kriegt man – ich glaube, das ist der einfachste Vergleich – in den USA nicht so schnell eine ehrliche Antwort. Was mich vorher in Deutschland vielleicht eher genervt hat, diese schlechte Laune. Aber wenn sie dann ernst gemeint ist, dann ist mir die doch lieber als so ein daher gesäuseltes “Ja, alles super!”. Ich mag Deutschland schon sehr gern, auch gerade in Bezug auf die Partys, wie verknüpft das in Deutschland ist mit so einer Subkultur oder einer alternativen Lebensbewegung. Das ist in vielen anderen Ländern nicht so, da sind natürlich große Festivals und Veranstaltungen, aber das ist ein Luxusgut und nicht erreichbar für jeden. In Deutschland ist das eine alternative Bewegung, auch ein stückweit sehr politische. Sie strebt so eine Utopie an, die ohne viel Geld auskommt. Ich würde sagen, man kann auf einem deutschen Festival in der Regel auch ohne einen Cent drei super Tage haben. Das ist in anderen Ländern nicht so.
Deine Musik, aber auch die Artworks für deine Sets und Veranstaltungen und deine Outfits, transportieren ja sehr diese Hippie-Kultur der 60er und 70er-Jahre. Eigentlich war diese mitunter auch etwas naive Hippie-Kultur mit Punk ja erstmal Geschichte. Meinst du jetzt, in dieser Zeit, haben uns die Ideen der Hippies wieder mehr zu sagen als vielleicht Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre – wenn ja, was wäre das?
Ich glaube, tatsächlich sind diese Umweltthemen, diese politischen Themen wieder brandaktuell. Aber bei mir ist das auch sehr persönlich. Schon als Kind fand ich diese Hippie-Bewegung toll. Ich hatte Freunde, die hatten Eltern, die waren damals so richtig Teil dieser Hippie-Kultur. Als ich ein echtes Hippie-Hemd, so ein echtes Batikhemd von dem Papa von einem Freund von mir bekommen habe, war das mein liebstes Kleidungsstück. Als ich nachgefragt habe: Was ist ein Hippie? hat meine Mama mir erklärt: Naja, das war so eine Bewegung, das waren Leute, die haben sich für die Umwelt eingesetzt und dafür, dass es allen gut geht, für Gleichberechtigung, Naturschutz, freie Liebe. Das war für mich als Kind so: Hä, eigentlich ist das doch DAS Ding! Irgendwie ist das für mich schon immer sehr, sehr positiv belegt gewesen. Das kommt für mich wirklich in erster Linie über diese Wertschätzung der Natur, der Vielfalt, des Bunt-Seins, der Wertschätzung verschiedener Kulturen. Das hat für mich schon als Kind und auch heute noch, viel Sinn gemacht.
Eigentlich ist elektronische Musik ja erst mal sehr entgegengesetzt zur Natur: Man braucht technische Geräte, vieles ist nur digital und der ursprüngliche Techno war ja auch so eine Maschinenmusik. Wie kommt es, dass jetzt doch elektronische Musik und Naturverbundenheit so zusammengehen?
Über die Festivals macht das natürlich erst mal ganz viel Sinn, weil man da draußen in der Natur steht. Auch, wenn man sich die Geschichte des Techno anguckt: Das kommt ja über House-Musik, die über Disco kam, die ja tatsächlich auch viel von Schwarzen kam, also auch im Ursprung Schwarz war. In den Neunzigern ist das dann zwar in diese industrielle Richtung gegangen. Für mich ging es dann aber relativ schnell in meiner persönlichen Musikentwicklung auch wieder zurück. Vielleicht auch über dieses draußen Veranstaltungen Erleben. In meiner Heimatstadt Bremen gab es so einen ganz, ganz tollen Club, wo ich meine ersten Party-Jahre verbracht habe, und die haben auch viele Veranstaltungen draußen gemacht. Da habe ich immer schon gemerkt: Ich bin lieber bei der langsamen Musik. Ich habe dann Techno und House-Musik gehört, bin wieder zurück über Slow-House und irgendwann bei Downtempo angekommen. Ich habe einfach gemerkt, dass das das ist, was ich in der Natur hören möchte. Ich möchte, dass da Trommeln drin sind, natürliche Instrumente, Vogelgezwitscher und irgendetwas, was mich noch mehr verbindet mit dem Ort, an dem ich stehe. Ich habe auch gemerkt, je langsamer die Musik ist, umso mehr macht mir das Tanzen Spaß und umso mehr Zwischenräume sind eben auch da, die man füllen kann, mit verschiedenen natürlicheren Sounds.
Ich spreche jetzt mal von mir: Ich selbst höre sehr gerne Musik aus aller Welt, etwa Cumbia aus Südamerika aus den 60ern und 70ern oder auch Musik aus Afrika, die Labels wie Sahel Sounds oder Analogue Africa wieder veröffentlichen, oder auch türkischen Psychedelic Rock aus den 70ern. Ich höre das sehr gerne und vertiefe mich auch gerne in diese musikalischen Entwicklungen, die ja so abseits, aber auch in Austausch mit der kanonisierten westlichen Musikgeschichte stattgefunden haben. Gleichzeitig habe ich oft Zweifel: Erliege ich jetzt hier nicht irgendeinem Exotismus? Also finde ich das nur toll, weil es halt anders ist und vielleicht auch, gerade bei älteren Sachen, mit einem verzerrten, idealisierten Bild von einem Entwicklungsland in meinem Kopf korrespondiert? Wie ist das bei dir – kennst du solche Bedenken auch?
Ich hätte das vielleicht eher bei einer Abklatsch-Version. Aber wenn die Musik wirklich von da kommt, fühlt sich das für mich erstmal sehr, sehr positiv an. Ich habe bei Musik und bei Kultur im Allgemeinen eben das Gefühl, man kann sie den Leuten nicht wirklich wegnehmen und sich auch nicht wirklich aneignen. Sondern jeder hört in dem Moment das darin, was aus ihm auch kommt. Ich weiß nicht, ob deine Frage in diese Richtung kulturelle Aneignung geht – was ein Vorwurf oder eine Aussage ist, mit der ich mich ja auch auseinandersetzen muss. Dass ich mich eben bediene in anderen Kulturen, mir das aneigne. Das fühlt sich für mich eben überhaupt nicht so an. Für mich fühlt es sich an wie eine Wertschätzung des Andersseins oder eine Wertschätzung gegenüber etwas Neuem. Was vielleicht gar nicht meins ist, aber was ich trotzdem genießen kann und was wie auch beim Reisen eher eine Verbindung schafft durch eine Wertschätzung. Die meisten Menschen, die Musik machen, haben da so eine ganz schöne Intention dahinter: Es geht ja ganz klar darum, dass das etwas ist, das nach außen getragen wird, um auch geteilt zu werden. Ich sehe das natürlich auch bei den Klamotten, die ich trage, oder höre: Hey, du trägst irgendwelche Sachen aus den thailändischen Bergregionen, fühlst du dich da nicht komisch bei, des hat doch gar nichts mit dir zu tun? Für mich ist es tatsächlich – gerade auch dadurch, dass ich das beim Reisen viel selber erlebt habe – wirklich eine Wertschätzung. Gerade beim Reisen nehmen die Locals das auch als eine Wertschätzung wahr, für die ist das schön, sich auch gesehen zu fühlen in ihrer Kultur.
Natürlich ist es etwas anderes, wenn Zara bulgarische Frauenkleider in Bangladesch nähen lässt, noch nicht mal sagt, wo man sich da hat inspirieren lassen und das gar nicht wirklich anerkannt wird. Da kann ich diesen Vorwurf der kulturellen Aneignung verstehen. Aber generell nehme ich Kultur als etwas sich konstant entwickelndes, bewegendes wahr. Kunst und Kultur entstehen für mich in der Regel immer aus den Einflüssen, die man vorher aufgesaugt hat, die man in sich zu etwas Neuem verarbeitet. Deswegen glaube ich, dass das tatsächlich auch ein unausweichlicher Prozess ist. Weil Kultur für mich nichts ist, was man jemandem wirklich wegnehmen kann. Es wird eigentlich nur mehr und bunter dadurch, dass man sich da beieinander bedienen darf. Natürlich gibt es da gewisse Regeln, wie es vielleicht wirklich blöd ist und wie es sich gut anfühlt. Aber je mehr bunte verschiedene Einflüsse man nimmt, umso reichhaltiger wird es. Das ist auch das, was politisch ein stückweit meine Botschaft ist: Man verliert nichts, wenn man sich aufmacht und mehr reinlässt. Man verliert nicht seine eigene Identität. Sondern man öffnet sich eigentlich nur für alles, was da draußen so rumschwirrt.
Im Podcast “Shut Up & Speak” hast du von einem Erweckungserlebnis erzählt, als Teenager in deiner Heimatstadt Bremen: Da warst du das erste Mal im Club und linken Zentrum “Zucker Club” bei einem DJ Abend. Was war so neu und anders dort?
Ich war da so 18 Jahre, ich kannte bis dahin in Bremen nur so diese Clubs: Man zahlt Eintritt, dann ist da immer das gleiche Programm. Dann sind da eine Menge junge Leute, trinken Alkohol, dann geht man da irgendwie wild. Im “Zucker Club” bin ich reingekommen und hatte erst mal das Gefühl: Ich kann gar nicht richtig einschätzen, was für ein Schlag Leute das hier ist, es war so: Leute im Anzug, Leute mit Irokesen, also wirklich so von allem ganz bunt gemischt. Irgendwie lustig dekoriert. Dann bin ich da so hoch, da standen all diese super unterschiedlichen Leute – wirklich viele auch mit Augen zu – und haben einfach getanzt. Es ging weniger darum, wie man jetzt gerade aussieht beim Tanzen, so wie ich das aus anderen Discotheken kannte: Das irgendwie jeder eine coole Figur abgibt und die Mädels richtig sexy. Das war einfach nicht da. Das war egal, die Leute waren wirklich für die Musik da. Dann stand am DJ-Pult eine Frau! Das hatte ich vorher auch noch nicht gesehen. Das Publikum stand da einfach, keinen hat es so richtig interessiert, dass da eine Frau steht. Also, es war cool. Es war anerkannt, aber es war auch kein großes Ding. Gerade auch, dass Leute dort reinkommen, die in einem normalen Club nicht reinkommen. Ich hatte das Gefühl, die Leute wurden da auch ein stückweit neu sozialisiert durch dieses willkommen heißen. Was natürlich klar war: Es gibt keinen Sexismus, es gibt keinen Rassismus, keine Homophobie. Das waren eigentlich die einzigen drei Regeln, alles andere war erlaubt.
Also eine Feierkultur und ein Hedonismus, der aber auch eine politische Komponente hat.
Genau, eben nicht dieses: Scheiß auf alles, Hauptsache, ich habe eine gute Zeit. Sondern: Wenn du darauf achtest, dass du hier niemand anderen einschränkst, dann haben wir hier alle eine super Zeit. Das war für mich echt weltbewegend damals und hat sich dann auch auf diesen Festivals fortgesetzt. Nur dann war das noch draußen, drei Tage, noch viel mehr Programm, noch viel mehr zu gucken. Aber das ist eigentlich genau das, was mich immer noch an den Festivals so fasziniert, was mich damals im “Zucker Club” schon so angeschnuppert hat.
Jetzt bist du selber so eine Frau, die hinter den Decks steht, an diesem Wochenende legst du im Livestream auf für das queer-feministische Festival “weINSPIREus”, das das Münchner WUT Kollektiv im Harry Klein Club veranstaltet. Anlass ist der Weltfrauentag am 8. März, es gibt am Montag im Rahmen des Festivals auch eine Sendung mit Gesprächen, bei denen du auch dabei bist. Was sind denn nach wie vor die Schwierigkeiten, die weibliche und queere DJs haben, in der eigentlich von der Theorie her doch so gleichberechtigten Welt von Techno bzw. elektronischer Musik?
Was ich von vielen Frauen mitbekomme und was ich auch selber in meiner Erfahrung habe: Viele Frauen haben ein Problem mit Technik. Irgendwie hat man als Frau im Kopf, das wird einem von der Gesellschaft suggeriert: Männer können gut mit Technik, Frauen nicht. Das habe ich auch in meinen DJ-Workshops von mehreren Mädels gehört. Ich glaube, das ist tatsächlich der erste abschreckende Punkt. Natürlich sind da einfach auch noch viel, viel mehr Männer. In Berlin, habe ich das Gefühl, sind wir echt ganz gut aufgestellt mittlerweile. Aber wenn man in anderen Städten und Ländern ist, dann stehen da zum Großteil Männer hinter dem DJ-Pult, das sorgt für eine natürliche kleine Abschreckung. Dass viele Frauen zu sehr, ich auch am Anfang, Angst davor haben, zu versagen. In der Regel ist auch jeder Techniker, der im Club steht, ein Mann. Ich hatte natürlich auch Erlebnisse, wo ich in den Club komme und der Techniker sagt: Naja, komm Mädel, dein Zeug, ich schließ dir das mal an. Wenn der DJ, der danach kommt, dann auch wieder ein Mann ist und einem dreist auf den Plattenteller fasst – alles Sachen, die ich erlebt habe – das schreckt einen einfach ab. Was bei mir auch ganz stark war: Da war auch keine Frau, die ich hätte fragen können, ob sie mir das zeigt. Das ist auch meine Hauptmotivation, warum ich so Bock hatte, jetzt zu Corona DJ-Workshops zu geben.
Verstehst du diese DJ Workshops, die du vorwiegend für Frauen gibst, auch als eine Art Safe Space?
Auf jeden Fall. So hat es auch angefangen mit der Idee, dass mich Mädels angesprochen haben. Und: Ich glaube der erste Gig, wo meine Mutter mich mal begleitet hat – was natürlich ganz aufregend war – da hab ich angefangen zu spielen, meine Mama stand am Rand. Dann kam ein jüngeres Mädel auf sie zu und hat gesagt: Äh, Entschuldigung, sind sie die Mutter von der Martha? Sie so: Jaa…? Dann hat das Mädels zu ihr gesagt: Ich wollte schon so lange lernen, aufzulegen, habe mich aber nie getraut. Wegen ihrer Tochter hab‘ ich‘s jetzt endlich angefangen. Das war für mich so ein Moment, wo ich gedacht habe: Wie geil, wie schön, dass ich das sein kann! Ich glaube, dass es auch für viele Männer sogar schön wäre, wenn da noch mehr Gleichberechtigung wäre, weil einfach die Energien anders sind. Das merke ich auch nach einem Abend, wo nur Männer außer mir spielen: Es ist einfach eine andere Stimmung. Wenn da eine Frau steht, habe ich das Gefühl, ist das für Frauen UND Männer sehr schön, weil man sich erstens als Frau besser damit identifizieren kann. Weil es einfach irgendwie was Wärmeres, was Weicheres, was weniger Autoritäres hat in dem Moment. Das finde ich für eine Party schön und förderlich.
Auf solche Partys wird man allerdings noch etwas warten müssen. Die nächste Zeit wird wahrscheinlich noch nicht viel mehr als Livestreams wie deiner heute Abend drin sein. Mit dem Sommer, Impfungen und vielleicht auch mehr Tests ist es dann vielleicht bald wieder möglich, auch vor Leuten zu spielen. Worauf freust du dich am meisten?
Also ich muss sagen, ich halte die Füße ein bisschen still, mich zu freuen, weil ich das Gefühl habe, ich kann das gar nicht richtig abschätzen. Ich habe immer gedacht, jetzt zum Frühling geht es wieder richtig los. Gerade weiß ich nicht, ob ich mich da nicht verschätzt habe. Ich freue mich einfach am meisten darauf, irgendwo barfuß mit lauter Musik in der Natur zu stehen. Leute um mich herum zu haben, vor allem Leute reagieren sehen zu können auf die Musik, die dann aus den Boxen kommt. Das ist natürlich etwas, was mir beim Stream fehlt. Einfach dieses Feedback von den Leuten, diesen Moment genießen. Ich freue mich auch, mal wieder zu reisen und mit meinem Bus hoffentlich wieder auf ein Festival zu fahren, jetzt wo der frisch geschweißt ist. Ich bin aber tatsächlich auch gar nicht böse, wenn wir erst mal noch ein bisschen die Füße stillhalten müssen. Dann ist es halt so und dann kriegen wir das auch noch gut rum. Ich bin richtig stolz auf uns, ich finde, wir haben das super gemacht bisher.
Dieses Interview erschien zuerst am 05.03.2021 auf der BR Kulturbühne, die Ende 2022 eingestellt wurde.
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