Warum der Equal Pay Day auch für Männer wichtig ist

© Public Domain: J. Howard Miller - U.S. National Archives and Records Administration

Frauen sollten das Gleiche verdienen wie Männer: eine Selbstverständlichkeit, die leider noch immer nicht Realität ist. Doch nicht nur Frauen sollten diesen gleichen Verdienst einfordern. Auch für Männer wäre es ein Gewinn – vor allen Dingen, sobald sie Väter sind.

“Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? Und was soll ich kochen?” Diesen Satz aus einer Dr. Oetker Werbung für Pudding aus dem Jahr 1954 kennen mittlerweile viele – weil er immer wieder hervorgekramt wird, um zu zeigen, wie frauenverachtend die BRD der 50er Jahre doch war. Dabei ist “Frau Renate” aus dem Werbespot eine für ihre Zeit moderne Frau: Sie wohnt in einer Großstadt, arbeitet als Sekretärin – und schmeißt dank Dr. Oetker nebenbei auch noch den Haushalt.

Frau Renate ist eine Frau aus den 50er Jahren, die Sprache und die Selbstverständlichkeit, mit der von ihr als Frau erwartet wird, “das bisschen Haushalt” zu erledigen und ihren Mann fachfrauisch zu umsorgen, könnten uns nicht fremder sein. Und doch ähnelt Frau Renate heutigen Frauen noch mehr, als uns als Gesellschaft lieb sein sollte – zumindest, sobald das erste Kind da ist. Und durchaus auch in modernen, emanzipatorischen Familien, die sich das mit dem Haushalt und der Rollenverteilung eigentlich ganz anders vorgestellt und vorgenommen hatten. Das nehme ich in meinem Umfeld bei fast allen jungen Familien so wahr, das belegen Studien, das hat die Pandemie noch einmal besonders gezeigt und das muss ich mir als Vater mit Blick auf die eigene junge Familie auch selbst zähneknirschend eingestehen. Warum landen so viele Männer und Frauen, sobald das erste Kind da ist, ruckzuck in Rollen, die sie als eigentlich längst überholt empfinden? Die Antwort hat auch mit dem Gender Pay Gap, der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen, zu tun.

Skandalöse Ungleichheit beim Verdienst

Noch immer verdienen Frauen in Deutschland – laut den aktuellsten Zahlen für das Jahr 2020 – im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer. Und noch immer bekommen sie mit gleicher Qualifikation im gleichen Job sechs Prozent weniger Lohn bzw. Gehalt. Letzteres ist schlicht ein Skandal und ändert sich zum Glück langsam – sehr langsam: In den letzten zehn Jahren hat sich der Gender Pay Gap bei gleichen Tätigkeiten lediglich um ein Prozent verringert. Ersteres ist kaum weniger skandalös und hat damit zu tun, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten, dass sie seltener Führungspositionen innehaben, vor allem aber, dass sie öfter Jobs in generell schlechter bezahlten Berufszweigen ausüben – nicht selten in den seit der Pandemie als “systemrelevant” erkannten.

Dass diese Tätigkeiten so schlecht bezahlt werden, sagt viel über unsere Gesellschaft aus: Offenbar bewerten wir das Zusammenschrauben von Autos oder das Programmieren von Software deutlich höher als etwa die Begleitung von Geburten, die Betreuung von Kindern, das Pflegen von kranken und alten Menschen. Eins ist klar: Dass Frauen in diesen Berufen weit weniger verdienen als die Autobauer und Programmierer dieses Landes, hat nichts damit zu tun, dass ihre Jobs weniger verantwortungsvoll, körperlich leichter oder emotional anspruchsloser wären. Der Gender Pay Gap ist auch nicht naturgegeben oder gründet in vermeintlich schlechteren Karriere-Entscheidungen von Frauen. Er beruht auf Strukturen in diesem Land – das beweist schon die Tatsache, dass Deutschland im EU-Vergleich fast Schlusslicht ist: Nur in Estland, Lettland und Österreich verdienen Frauen im Vergleich noch weniger als ihre männlichen Kollegen.

Gender Pay Gap drängt Frauen in Hausfrauenrolle

Eine gravierende Folge des Gender Pay Gap ist, dass, wenn frisch gebackene Eltern entscheiden, wer in Zukunft wie viel arbeiten soll, es in den allermeisten Fällen noch immer die Frau ist, die in Teilzeit geht – während der Mann Vollzeit arbeitet und damit in die traditionelle Rolle des (hauptsächlichen) Ernährers schlüpft. Sage und schreibe 93,1 Prozent der Männer mit Kindern unter 6 Jahren arbeiten laut den aktuellsten Zahlen von 2019 in Deutschland in Vollzeit, gegenüber lediglich 27,4 Prozent der Frauen. Auch, wenn die Kinder älter werden, ändert sich das kaum: Bei Eltern mit Kindern ab 6 Jahren arbeiten 94,8 Prozent der Männer in Vollzeit gegenüber 36,4 Prozent der Frauen. Nur grob fünf bis sieben Prozent der Väter entscheiden sich also, weniger als 40 Stunden zu arbeiten. Einer der Hauptgründe für diese deutliche Ungleichheit dürfte neben traditionellen Rollenbildern der geringere Verdienst von Frauen sein. Es ist sinnvoll und ist bei ärmeren Menschen oft gar nicht anders möglich –, dass diejenige Person weniger arbeitet, die weniger verdient.

Der Gender Pay Gap bedeutet für Frauen, dass sie – man muss das Offensichtliche trotzdem benennen – deutlich weniger verdienen als Männer (im Schnitt 1.192 Euro weniger im Monat), dass sie seltener Karriere machen, dass sie zu einem gewissen Grad abhängig sind von ihren Partnern und später eine viel kleinere Rente bekommen. Der Gender Pay Gap führt aber auch dazu, dass im 21. Jahrhundert noch immer meistens die Frau den Haushalt schmeißt. Dass sie die Wäsche wäscht, die Wohnung schrubbt (wenn das nicht Frauen aus Osteuropa übernehmen), die Einkäufe erledigt. Es führt dazu, dass die Frau die Kinder von der Kita abholt bzw. nach der Schule zuhause empfängt oder versucht, die Defizite des Homeschooling auszugleichen. Dass sie die Kleidung der Kinder besorgt, die Geburtstage der Freund*innen der Kinder auf dem Schirm hat und sich um die Geschenke kümmert, dass sie dafür sorgt, dass die Kinder rechtzeitig zu Fasching ein Kostüm haben.

Väter verpassen viel vom Leben ihrer Kinder

Für die meisten Väter in meinem Umfeld bedeutet das im Umkehrschluss: Dass sie – wie schon ihre Väter und Großväter – ihre Kinder unter der Woche nur kurz in der Früh und für zwei, drei Stunden am Abend sehen. Dass sie so auch viel weniger mitbekommen vom Umfeld der Kinder, deren Freunde und Freundinnen viel seltener sehen, die anderen Eltern seltener treffen, die Erzieher*innen und Lehrer*innen weniger gut kennen. Kurz: Dass sie weniger teilhaben können am Leben ihrer Kinder. Natürlich soll der Gender Pay Gap hier nicht als Ausrede oder gar Rechtfertigung herhalten, dass Männer sich zu Hause nicht einbringen. Und so klar verteilt wie einst sind die Aufgaben heute natürlich nicht mehr: Viele Väter bringen die Kinder früh zur Kita oder Schule, viele übernehmen Aufgaben im Haushalt, vielleicht besorgen auch einige die Geschenke für die Freund*innen der Kinder. Die Tendenz ist trotzdem mehr als deutlich. Und das nicht nur bei Paaren, die glücklich mit der traditionellen Aufteilung sind und vielleicht sogar aufgehen in ihren jeweiligen Rollen. Sondern auch bei Paaren, die das eigentlich mal anders geplant hatten und den Anspruch haben, die Rollenverteilung der 50er Jahre weit hinter sich zu lassen.

Gemeinsam für gleichen Verdienst kämpfen

Die Folge bei jenen Eltern: Beide, Mütter wie Väter, reiben sich auf beim Versuch, Haushalt und Kindererziehung einigermaßen fair aufzuteilen. Denn natürlich kann man die Care Arbeit nicht annähernd Fifty-Fifty aufteilen, wenn der eine 40 und die andere 20 Stunden in der Woche arbeitet. Und vielleicht will der eine gar nicht 40 Stunden oder mehr und die andere nur 20 Stunden in der Woche arbeiten. Wir können viel über unbezahlte Care Arbeit von Frauen oder Mental Load reden – solange wir in Strukturen gefangen sind, die uns in längst überholte Rollen zwingen, wird das auf beiden Seiten nur zu Erschöpfung, Frust und gegenseitigen Vorwürfen führen. Es wird zu Streit führen und zu Sätzen, die man eigentlich nie im Leben sagen wollte – wie etwa dem, dass sie ohne einen ja nicht einmal die Miete zahlen könnte.

Oder aber es wird dazu führen, den hehren Anspruch einer modernen Elternschaft mit einer einigermaßen fairen Aufgabenverteilung aufzugeben und ein Leben zu leben wie in einem Werbespot der 50er Jahre. Das kann niemand ernsthaft wollen, der seine Kinder, aber auch seine Partnerin liebt. Und deshalb – neben all den anderen guten Gründen, wie etwa dem Ideal einer universellen Gleichheit – sollten wir gemeinsam, Männer und Frauen, für eine gleiche Bezahlung einstehen.

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